@Marion Regenscheit: „AI (artificial intelligence) ist doch noch nicht so weit, dass der Mensch nicht mehr die genauen Fragen stellen muss, um an Information zu gelangen.“
Stimmt, aber AI und Mensch können eine sehr effektive und bedenkliche Partnerschaft bilden: Die eine weiß alles, ohne zu wissen, was es bedeuttet, der andere weiß, nach welche Daten in welcher Kombination man fragen muss, um zu (be)deutungsvollen Aussagen zu kommen.
@Lisa G.: Gute Frage, auf die Han leider nicht eingeht. Meine Antwort : Die Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken ist möglicherweise weniger pornografisch als Han unterstellt, insofern man gezielt ein bestimmtes, wünschenswertes Bild von sich zu vermitteln sucht (wobei die Frage bleibt, wie effektiv einem das unter den Bedingungen spontaner Kommunikation überhaupt gelingt). Darauf geht Han wie gesagt nicht ein. In seinem Sinne lässt sich aber gleichwohl ergänzen, dass der Algorithmus am Ende (und mit menschlicher Hilfe) die Informationen über einen Menschen (die dieser gar nicht alle zu kontrollieren vermag) so zusammenfügen kann, dass sie mehr Auskunft ergeben, als dieser Mensch vermuten mag.
Noch eine Anmerkung zum in die Luft kucken (oder in die Ferne) und zur Frage der Review: „ist etwas wichtiges in meinem Posteingang?“
Diese Frage wird als zentrale Frage der aktuellen Generation vermerkt. Aber es gibt sie sicher, seit es Medien gibt. Den eindrücklichsten, komplexesten Ausdruck dafür liefert Kafka in seiner unvollendeter Erzählung Beim Bau der Chinesischen Mauer, in der ein Bote die letzte Botschaft des sterbenden Kaisers bis in alle Grenzen des Landes übermitteln soll. So etwas kann lange dauern in einem so großen Land wie China. Und weil der Weg so lang ist und weil der Hindernisse so viele sind, ist der Bote seit Jahrtausenden unterwegs. Das Unterfangen, so der Erzähler, ist im Grunde aussichtslos, denn niemand dringe durch die Mitte des Reiches bis an dessen Ende, um dem auserkorenen Empfänger die Botschaft zu übermitteln. „Du aber“, heisst es weiter im Text, „sitzt an Deinem Fenster und erträumst sie Dir, wenn der Abend kommt.“
Du? Ist der auserkorene Empfänger die Leserin von Kafkas Text, die auf die Botschaft der Geschichte wartet? Und woher weiss sie, dass ein Bote unterwegs ist? Gibt es einen schnelleren, der vom kommenden Boten berichtet hat?
Vielleicht will Kafka sagen, dass das Warten der Menschen auf eine Botschaft eine anthropologische Konstante ist. Wer weiter denkt, ahnt dass Kafka die Botschaft in den Wartenden selbst verortet: Sie könnte sich in ihnen entwickeln am Abend, wenn sie am Fenster sitzen, in der Ferne nach dem Boten Ausschau halten und sich fragen, welche Nachricht er wohl bringen wird. Das Ausbleiben des Boten wird so zur Vorraussetzung einer Erkenntnis.
Diese Momente am Fenster am Abend gibt es nicht mehr. Denn nun klopfen ständig Boten an der Tür, um von allen möglichen Dingen zu berichten. So kommt der Mensch sich selbst abhanden, würde Kafka sagen, der ja auch gesagt haben soll: Die Leute fotografieren die Dinge, um sie aus den Sinn zu verscheuchen, meine Geschichten hingegen laden zum Augenschließen ein.
Der paradoxe Buchtitel „Wie wir vor lauter Kommunizieren unser Leben verpassen“ fasst die Dialektik aktueller Kulturtechniken medienphilosophisch zusammen: Kommunikation nicht nur als Extension, sondern auch als Amputation of Man, wie es bei McLuhan heisst. Diese Titelthese ist nicht frei von Kulturpessimismus. Denn sie impliziert, dass Kommunikation das verhindert, was Kommunikation eigentlich schaffen soll: Selbsterkenntnis.
Wenn man gerade in Hong Kong war, weiss man, wie die Zukunft aussieht – weswegen eigentlich alle Mewie-Studierende einen Klassenausflug nach Hong Kong machen sollten. Dort ist schon Realität, was hier noch prognostiziert wird: Jede/r zweite ist absolut von ihrem/seinem Smartphone absorbiert, auf der Straße, in der U-Bahn, selbst im Seminar. Fast alle sind zugleich und eigentlich ganz woanders, so wie Sherry Turkle es in ihrem Buch „Alone Together“ beschreibt.
Wobei es zwei Varianten des Anderswo-Seins gibt. Die einen kommunizieren: lesen ihre Facebooknachrichten oder tippen Antworten. Die anderen konsumieren: lesen oder, öfter, schauen einen Film. Es gibt einen alten französischen Film über das Studentenleben, in dem ein Student mit einem Buch in der Hand durch die Gegend läuft und plötzlich knietief im Wasser steht. Diese Szene ist in Hong Kong technisch und quantitativ aktualisiert: Man schaut nun auf einen Bildschirm und sticht durch den obsessiven Mediengebrauch nicht mehr aus der Menge heraus.
Die Review berichtet von der Spannung zwischen Anna und ihrer Mutter bzgl. Mediengebrauch. Auch in dieser Hinsicht ist Hong Kong weiter. In einem Restaurant in Hong Kong sah ich dies: Die Mutter ist vertieft in ein Spiel am Handy, während ihre sechs- oder siebenjährige Tochter sich auf der anderen Tischseite mit ihrem Tee langweilt. Es gibt keine Konversation zwischen beiden.
Aber es gibt auch das übliche Szenario: Am Nebentisch sitzt ebenfalls eine Mutter mit ihrer Tochter. Diese (vier oder fünf Jahre alt) hat sich vom Tisch weggedreht zur Sessellehne und schaut auf dem Handy, das sie vor sich hält, einen Trickfilm. Die Mutter füttert die Tochter ab und zu mit einem Löffel Reis und schaut ansonsten nachdenklich in die Ferne.
Inzwischen hat am ersten Tisch das Gerät die Hände gewechselt. Nun spielt die Tochter, die Mutter schaut zu und gibt Ratschläge. Also doch ein Gespräch. Wer sagt’s denn! Alles halb so schlimm!
@MR: Guter Hinweis, dass es ja auch außerhalb von Facebook eine Kultur des Teilens gibt. Und interessanter Gedanke, dass Besitz Ballast ist. Stimmt dies auch für immateriellen Besitz wie Gedanken, Gefühle, Erfahrungen? Sind die auch Ballast, den man schnell los werden will, indem man ihn auf Facebook (mit)teilt?
Zum Beispiel der empfohlene Artikel, den wir tatsächlich gelesen haben. Was nun? Kommentieren? Exzerpieren gar? So etwas nannte man mal Aneignung, was ja fast wie Besitzergreifung klingt, also nach Ballast riecht. Und gibt nicht in der Tat die Suche nach Worten dem Beschriebenen mehr Gewicht als wir ihm zugestehen wollen in den 5 Minuten, die wir für ihn haben?
Andererseits: Ganz ohne Reaktion geht es auch nicht. Das ergibt keinen Abschluss. Das lässt den Artikel irgendwie unerledigt. Eine Meinung muss her, und wenn auch nur ein kleine. Eine „Mikromeinung“, wie MR schreibt. Ein Like. Noch besser aber ist das Share. Denn erst durch die (Mit)teilung des Artikels erhält dieser die nötige Leichtigkeit: Nun ist er im ‚Besitz’ eines anderen. Soll der sehen, was er damit anfangen kann.
„Die Kinder der Echtzeitrevolution interessiert nur, was in den nächsten fünf Minuten passiert.“ So Lovinks Klage, in der es weiter heisst: „Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen etwas und nichts und haben gelernt, es sei ihr gutes Recht, zu allem ihren Senf dazuzugeben.’’ Auch Lovink versteht hier einen gewissen Unterschied nicht: den zwischen narzisstischer Selbstdarstellung und kollektiven Selbstschutzaktionen. Die allerorts anzutreffenden Senfabsonderungen – und vor allem, wenn sie so bescheiden sind wie der Klick aufs Share – sind nur der Versuch, die Bürde des Aufgenommenen wieder loszuwerden, indem der Stab an den nächsten weitergegeben wird. Denn die Kultur des Teilens hat nicht nur ökonomische und ökologische Gründe, sondern eben auch den angesprochenen Nebeneffekt der Ballast-Vermeidung.
Die Diskussion der informationellen Selbstbestimmung konzentriert sich zumeist auf des Aspekt der dataveillance und übersieht die Gefahren des datamining: Die Generierung neuer Information durch Mustererkennung in großen Datensätzen, die dann, wie Aline Wanner mit Martin Weigert unterstreicht, dazu führt, künftiges Verhalten vorhersagen zu können.
Was für das Individuum eine unverfängliche Information sein mag – eine Buchbestellung bei Amazon, ein Kommentar auf YouTube, Postings auf Facebook, die Suche nach einem bestimmten Begriff mit Google –, kann doppelt ohne sein Wissen über ihn informieren: Die Zusammenführung der Informationen erlaubt Rückschlüsse auf etwas, das dem Produzenten dieser Information selbst bewusst ist (z.B. Reisepläne) oder unbewusst ist (z.B. die veränderte Häufigkeit bestimmter Begriffe in seiner Kommunikation).
Die informationelle Selbstbestimmung findet ihre Grenzen also im Verständnis dessen, wann Informationen ein bedeutungsvolles Beziehungsgeflecht mit zusätzlichem Informationswert ergeben; die Enteignung findet statt, noch bevor das Subjekt um das zu schützende Wissen weiß.
In Anlehnung an Walter Benjamins Begriff des ‚optisch Unbewussten‘, das erst die Fotografie durch das Einfrieren der Zeit sichtbar macht, lässt sich vom ‚informationell Unbewussten‘ sprechen, das erst der Algorithmus durch die Analyse großer Datenmengen zutage fördert. Dieses Unbewusste ist DAS Verkaufsprodukt des 21. Jahrhunderts. Und der Algorithmus ist der Psychoanalytiker, der uns nicht sagt (wohl aber den zahlenden Kunden), was er über uns herausgefunden hat.
Für die Science Fiction mittlerer Reichweite sind traditionsgemäss James Bond-Filme zuständig. Das war auch im letzten so. Allerdings in ironischer Brechung. Denn in "Skyfall" muss sich die Crew um Bond bzw. M belehren lassen, dass sie mit alten Methoden keinen Kampf mehr gewinnen könne. Die Zukunft der Kriegsführung sei nicht die Walther, sondern der Hack. Entsprechend ist Bonds neuer Quartiermeister einer der besten Programmierer, cartoonesk hergerichtet als Bilderbuch-Nerd mit Mark Zuckerberg-Appeal. Sein schönster Satz im Film: "What did you expect? An exploding Pen? We don't do that anymore."
Das ist eine schöne Anspielung auf den explodierenden Stift in "Goldeneye" (1995) und zugleich ein ironisches Update der Metaphorik. Denn 1995 quittiert Bond das gefährliche Schreibwerkzeug mit dem Satz: ”They always say the pen is mightier than the sword“, worauf sein damaliger Quartiermeister antwortet: “Thanks to me, they were right”. 2012 erhält das Sprichwort scheinbar seine alte Bedeutung zurück, aber eben nur scheinbar. Denn der Stift – der aktuell natürlich als Keyboard zu denken ist – ist nun nicht deswegen wirkungsmächtiger als das Schwert (bzw. die Walther oder eben der Sprengstoff), weil er das Denken von Millionen verändern kann, sondern weil er als Code im Hack den kybernetischen Körper des Gegners treffen kann.
Dass auch Hacks zu Explosionen führen, zeigt Silvas elektronischer Angriff aufs Hauptquartier des MI6. Und auch sonst fehlt es nicht an handfester Action im Film. Gleichwohl nehmen die Programmierszenen auf dem Laptop oder dem riesigen Bildschirm im MI6-Keller eine zentrale Rolle ein. Was wirkungsästhetisch nicht ungefährlich ist, denn Codierungsintelligenz lässt sich nun einmal schwerer in Szene setzen als Schlägereien und Verfolgungsjagden und macht schliesslich auch das überflüssig, was die Bond-Filme kennzeichnet: das Reisen um die halbe Welt und die Begegnung schöner Frauen. Der Cyberwar ist die Verwirklichung einer Science Fiction, die dem Bond-Film ästhetisch den Ast absägt, auf dem er thematisch sitzt.
Die Produzenten werden dem entgegensteuern, indem sie eifrig genau das weiter tun, was Bonds Quartiermeister als antiquiert erklärte: Explosionen, Verfolgungsjagden, Feuergefechte und der gute alte Faustkampf. Wahrscheinlich sind sie genau mit dieser halbherzigen Cyberwar-Variante der Zukunft am dichtesten auf den Fersen: Der Zugriff im Computer bereitet den Angriff mit konventionellen Mitteln vor, dem Einsatz der Bits folgt der des Sprengstoffs.
So wie es Israel vormachte, dessen Luftwaffe am Morgen des 6. 9. 2007 eine geheime Baustelle in Syrien zerstörte, wo mit nordkoreanischer Hilfe eine Kernenergieanlage entstand. Die israelischen Flugzeuge konnten ungehindert zur Baustelle fliegen, weil das milliardenteure russische Luftanwehrsystem keinen Alarm schlug. Israelische Militärhacker hatten eine Logikbombe in den Softwarecode des Abwehrnetzes eingeschmuggelt, mit der sie den syrischen Offizieren einen friedlichen Radar vorspielen konnten.
Ja, der Bond-Film braucht explodierende Stifte oder zumindest Stifte (Keyboards), die zur Explosion führen. Paradox ist die generationsspezifische Aufteilung von Kopf und Körper: Der junge Quartiermeister bleibt am Computerbildschirm, der alternde Bond muss weiter in den Außendienst und sich dem stellen, was bislang Markenzeichen der Jugend war: Kampf und Sex. Denn einer muss ja diese publikumswirksamen Elemente im Film halten.
Zum gleichen Thema das Buch des ehemaligen US-Sonderbeauftragten für Terrorismusabwehr und Cyber-Sicherheit Richard A. Clarke: Cyber War: The Next Threat to National Security and What to Do About It (April 2010), wonach der Cyberwar längst begonnen habe und zahlreiche Nationen bereits das Schlachtfeld präparieren, indem sie die Computer ihrer potentiellen Gegner mit ferngesteuerten Logikbomben vermienen.
Hier das Air Force Cyber Command Recruiting Video: http://www.youtube.com/watch?v=t849CYRd2Ak
Zum Cyberwar auch im Elektrischen Reporter Nr. 11:
http://www.elektrischer-reporter.de/phase3/video/248
Eine Headline heute auf Technorati.com: The Pope Comes to Twitter via @pontifex.
Jetzt also auch der Papst! Nach der politischen Weihe für Twitter im Kontext des Green Movements gegen Ahmadinejads Wahlbetrug 2009 (als der 27jährige Mitarbeiter im Weißen Haus Jared Cohen Twitter bat, die geplante Wartungsarbeiten zu verschieben, damit Twitter für die Demonstrationen im Iran weiter zur Verfügung steht) nun die geistliche Weihe direkt aus dem Vatikan. Ist man sich sicher? Der Papst auf einem 140 Zeichen Short Message Dienst? Gibt es überhaupt so kurze Antworten auf die großen Fragen des Lebens? Man wird, heißt es aus dem Vatikan, wichtige Sätze der wöchentlichen Audience des Papstes twittern. Also zum Beispiel Aussagen über die Bedeutung der Stille in unserer Beziehung zu Gott? Kontrafaktische Botschaften gegen die Botschaft des Mediums? Viel Erfolg. Vielleicht stimmt ja, was Marion Regenscheit zu bedenken gibt: Dass das Netz Ort des Austauschs ist, dem offline dann die Stille der Kontemplation folgen kann. Sicher ist vorerst nur: Lady Gaga, die heute über 31 Millionen Followers hat, und Justin Bieber, mit knapp 31 Millionen Followers Lady Gaga auf den Fersen, erhalten starke Konkurrenz durch einen Twitterer, der 1,2 Milliarden Katholiken anführt.
@Nadine Strohbach: „Das Phänomen ‚Cyber-Mobbing’ ist - tragischerweise - schon seit längerer Zeit aktuell und sollte doch langsam aber sicher den Menschen zeigen, das man vorsichtig mit seinen persönlichen Problemen, Daten, etc. im Netz umgehen muss. Natürlich kann man das nicht erwarten, aber dennoch finde ich es ziemlich bedenklich, wie damit umgegangen wird.“
Dass man es nicht erwarten kann, ist das Problem. Und wie soll man, wenn das persönliche Leben mehr und mehr im Internet stattfindet?! Es stimmt, das Problem beginnt damit, dass Jugendliche sich dem Netz anvertrauen statt den Eltern, die möglicherweise keine Zeit für die Sorgen ihrer Kinder haben. Aber fördern die neuen Medien nicht auch die neue Adressierung dieser Sorgen? Und widerspricht nicht das Transparenzgebot der Facebook-Kultur prinzipiell der gebotenen Vorsicht gegen Cyber-Mobbing?
@Jelscha Schmid: „Ist die Beichte nicht ein Ort der Stille, des Bedenkens? Wenn so, ist dann nicht die Cyberwelt ein Ort des Lärms, der ständigen Unruhe?“ Gute Frage, die schon darauf weist, dass religiöse Handlungsformen nicht nur durch die Online-Beichte in Frage gestellt werden, sondern Kirche und Internet prinzipiell keine gute Gemeinschaft bilden.
Die Kirche dachte, sie kann das Internet als Werkzeug für die eigenen Interessen einsetzen. Als Verlängerung ihres Einzugsgebietes. Dazu ermunterte jedenfalls schon Papst Johannes Paul II 2002 in seiner Botschaft zum 36. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel unter dem Titel „Internet: Ein neues Forum zur Verkündigung des Evangeliums“. http://bit.ly/Tz3X98
Auch Papst Benedikt XVI sah 2010 das Internet noch als neuen Ort der Seelsorge. Der Titel seiner Botschaft zum 44. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel: „Der Priester und die Seelsorge in der digitalen Welt – die neuen Medien im Dienst des Wortes“. Benedikt XVI beugte jeder Technikphobie vor mit dem Hinweis auf die Ermahnung des heiligen Paulus im ersten Brief an die Korinther: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Und wie kann, wer die neuen Kommunikationsmittel ungenutzt lässt, von sich sagen, er tue alles zur Verbreitung des Wortes Gottes?
Zwei Jahre später klingt das schon anders. Die Botschaft zum 46. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2012 heisst: „Stille und Wort: Weg der Evangelisierung“. Darin betont der Papst: „Wir brauchen jenes Schweigen, das Kontemplation wird, die uns in das Schweigen Gottes eintreten und so dorthin gelangen läßt, wo das Wort, das erlösende Wort geboren wird.“ Unruhe aber droht vom Internet her, wo „der Mensch von heute von Antworten auf Fragen bombardiert wird, die er sich nie gestellt hat, und auf Bedürfnisse, die er nicht empfindet“.
Diesen Zeilen ist die Ahnung zu entnehmen, dass das Internet sich nicht so einfach in den Dienst der Kirche stellen lässt, sondern als Medium seine eigene Botschaft hat, und die richtet sich, weil sie die Stille vernichtet, grundsätzlich gegen die Interesse der Kirche. Das Gegenargument wäre, dass der Link das Hauptmerkmal des Internet ist, was ja ganz dem Sinn und Namen der Religion (religio = verbinden) entspricht. Wären dann also die Programmierer die neuen Priester und Facebook mit seiner geschäftigen Mitteilsamkeit der neue Ort religiöser Gemeinschaftlichkeit? Manche Beobachter legen eine solche Perspektive durchaus nahe, wie etwa Alexander Pschera, für den Facebook die Erfüllung einer neuen Liebes-Religion ist, wie in der vorangegangenen Review zu sehen war:
http://blogs.tageswoche.ch/de/blogs/mewiblog/480421/facebook-bleibt-hoffnung.htm
Das hab ich gerade gelesen:
Zu den Forderungen der Jugendsession in Bern an den Bund gehörte am vergangenen Wochenende mit 130 zu 22 Stimmen auch, „die Vermittlung von Medienkompetenzen in den Bildungsauftrag aufzunehmen. Dies beinhaltet die Aufklärung über die Risiken und Chancen der Internetnutzung. Der Schwerpunkt soll auf den korrekten Umgang mit sozialen Netzwerken, dem Datenschutz und dem Urheberrecht gelegt werden.“ Das klingt wieder sehr nach Medienführerschein und Verkehrssicherheit auf dem Datenhighway, was nach der abgewiesenen Motion von 2011 immerhin schon ein Erfolg wäre. Aber es geht offenbar auch um die prinzipielle Diskussion der von den neuen Medien geschaffenen Kulturformen. So steht in der Begründung: „Der Lehrstoff sollte die Themen soziale Medien, Cybermobbing, Privatsphäre, Verlust der Anonymität und Urheberrecht behandeln.“ Dass die Schule als wichtiger Sozialisationsort in der Pflicht steht, scheint jedenfalls klar zu sein: „Abschliessend ist zu sagen, dass die Schule die bestmögliche Form zur langfristigen Aufklärung aller Jugendlichen darstellt.“ Schön, dass junge Menschen noch so an die Bildungsfunktion der Schule glauben und von den Lehrern Unterstützung im Verständnis der neuen Medien erwarten, statt sich ganz auf Peer Education zu verlassen.
http://www.jugendsession.ch/de/die-jugendsession/jugendsession-2012/forderungen-und-resultate/internetfreiheit-und-urheberrecht/
Das war aus Platzgründen aus meinem Beitrag gefallen:
Der Hinweis auf die Aufklärungsvideos der actioninnocence.org oder der EU-Initiative klicksafe.de zu den Gefahren des Internet und der Link zu den Aufklärungsinitiativen der Kantonspolizei Basel-Stadt: http://www.polizei.bs.ch/praevention/jugend-gewalt/internet-handy.htm.